![]() 02.02.2002
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"Der böse Geist Lumpazivagabundus" von Johann Nestroy am Tiroler Landestheater Innsbruck
Biedermeierlich und sprachlich brillantMehr als vierhundert Rollen hat Johann Nestroy im Lauf von 30 Jahren verkörpert, den Großteil davon in seinen eigenen Stücken. Als Knieriem im Erfolgsstück "Lumpazivagabundus" stand er zum letzten Mal auf der Bühne. Diese "Zauberposse mit Musik", in der die Zauberwelt mit ihren Feen und Geistern nur als knapp gestalteter Rahmen vorkommt und im Übrigen das mit den Unzulänglichkeiten und skeptisch unterfütterten Seelenfarben ausgestattete "liederliche Kleeblatt" Kniereim, Zwirn und Leim zum Handlungsträger wird, hat Michael Gampe in Szene gesetzt. Wobei der Tonfall der Nestroy-Welt mit ihrer pessimistisch gefärbten Lebenswahrheit im Wiener Lokalkolorit durchaus gewahrt scheint. Es gibt bei Gampe keine modernistischen Verfremdungen, aber auch keine besonderen Regieeinfälle. Nach einem hübschen szenischen Beginn im Zauberreich entwickelt sich ein nicht unbedingt temporeiches Spiel in gemütlichen Spaßfarben, gewürzt mit Nestroys vertrackter Dialektik und pointenreichem Sprachwitz. Das glückliche Ende, als Zugeständnis an Volkstheatertradition und Zensur angehängt, lässt Gampe weg.Der Schuster Knieriem und der Schneider Zwirn verprassen in fröhlichem Leichtsinn ihren von der Glücksgöttin Fortuna vermittelten Lotteriegewinn und halten nichts von Besserung und solidem bürgerlichem Leben - sie bleiben "echte Brüderln" des bösen Geistes Lumpazivagabundus, des Beschützers aller Liederlichen (sprachlich brillant und mit überlegenem Sarkasmus verkörpert von Klaus Rohrmoser). Nur Leim, eher trübsinnig aus Liebeskummer, gründet mit Hilfe seines Lotterieanteils mit seiner geliebten Pepi einen ordentlichen Hausstand. Bühnenbildner Helfried Lauckner arbeitet mit einer leeren dunklen Bühne für das Zauberreich und mit schlichten biedermeierlichen Prospekten für die irdische Welt, in die sich Andrea Kuprians Kostüme bestens einfügen. Edgar Seipenbusch an der Spitze einer siebenköpfigen Musikergruppe sorgt für reichlich schräge Töne in Adolf Müllers Originalmusik, für aktuelle Liedstrophen ist Doris Happl zuständig. Ein bewährter Darsteller, teilweise vom Überirdischen ins Irdische wechselnd, sorgt für die Altwiener Staffage rund um die Hauptfiguren. Walter Ludwig, akrobatisch und dabei scharf profiliert in jedem Satz, ist ein überwältigender Zwirn. Gerhard Kasal als Leim wandelt sich überzeugend vom melancholisch umflorten Gesellen zu einem Meister und Familienchef voll ungemütlichem Biedersinn. Oswald Fuchs als verkauzter Trinker Knieriem bedient sich eines gleichförmig dahinräsonierenden Tonfalls, der selbst in der Angst vor dem drohenden Kometen kaum Emotionen aufbringt. Vom Rausch geht's bei Knieriem direkt in den Weltuntergang. Der begeisterte Premierenbeifall bestätigt Knieriems letzte Liedzugabe, dass bei einem solchen Publikum das Theater noch lange lebt. Elisabeth Senn (ese)
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