1994/95 Haupthaus
Gegenwart der Erinnerung von Gert Jonke - Uraufführung - Premiere 21. Mai 1995
Teilnahme an den 21. Mühlheimer Theatertagen, 1996

Diabelli: Erwin Ebenbauer - Johanna: Gundula Rapsch - Burgmüller: Georg Schuchter - Waldstein: Klaus Rohrmoser
Kalkbrenner: Peter Uray - Hausdiener: Fritz Hammel - Krankenhausarchitektinnen: Johanna Mertinz, Hertha Schell - Proktologe: Rudolf Strobl - Schwarzkopf: Uwe Falkenbach - Oberbaurat: Bernhard Hall Magistratsdirektorin: Doris Weiner - Frau Jagusch: Cornelia Lippert - Frau Jaksch: Inge Altenburger - Jaksch: Hannes Gastinger - Pfeifer: Vera Borek
Schleifer: Heinz Petters - Umblätterer: Robert Seethaler -Kommissar: Michael Rastl
Inszenierung: Emmy Werner - Bühne: Elisabeth Blanke, Peter Pongratz - Kostüme: Suzie Heger
 
Pressestimmen
Jonkes künstliche Menschen sind tragikomische Künstlerexistenzen. In Emmy Werners heiterer Uraufführungsinszenierung von „Gegenwart der Erinnerung“ wackeln und taumeln sie durch eine bonbonbunte Wunderflora auf abschüssigem Grund. Dazu rotiert Elisabeth Blankes und Peter Pongratz’ Bühne wie ein Karussell. Emmy Werner leistet sich im dritten Anlauf, den das Volkstheater wagemutig in Sachen Jonke unternimmt, einen musikalischen Spaß. Sie zieht sich höchst achtbar aus der Affäre. Die physikalische Achterbahnfahrt, die „Gegenwart der Erinnerung“ als Zeitreise auch ist, enthält sie uns vor. Stattdessen punktet das Ensemble. Neben Gundula Rapsch und Erwin Ebenbauer als Gastgebergeschwisterpaar reden Cornelia Lippert und Hannes Gastinger sich in virtuose Wirbel – Koloraturmaschinen und perfekte Sprechautomaten, die Wahrheitswille in das Chaos stürzt. - Ronald Pohl, Der Standard

Atemlose Satzkaskaden fordern höchste Aufmerksamkeit, damit ihr Schwachsinn und ihre Komik deutlich werden. Der poetische Verunsicherungsagent Jonke ist auch hier ein Meister der philosophischen Nonsens-Sonatine über dem Basso ostinato der Hysterie. Peter Pongratz, der Maler und Bühnenbildner, ersann mit Hilfe von Elisabeth Blanke ein Eiland samt Wäldchen. Beleuchtung und eine ausnahmsweise sinnvoll genutzte Drehbühne erzeugen zauberische Atmosphäre und unterstreichen das Leitmotiv des Stücks: Was geredet und getan wird, ist nichts weiter als ein absurdes Karussell. Emmy Werners Inszenierung legt Wert auf karikaturistische Präzision, denn Kunstfiguren müssen Kunstfiguren bleiben. Daß das Ensemble dabei auch die vertrackte Musikalität der monologischen Arien und Rezitative zur Geltung kommen läßt, hält die Aufführung auf durchgängig spannendem Niveau..... - Ulrich Weinzierl, FAZ

Österreichs Großmeister der Sprachbehandlung, ein Virtuose von musikalisch-mathematischer Präzision, genießt am Wiener Volkstheater künstlerisches Heimatrecht. Und auch Gert Jonkes dritte Uraufführung in Serie geriet dort zum Ereignis. Das Ensemble ist exzellent.....und Nebendarsteller, die man lang nicht mehr so gut erlebt hat, formieren sich zum Klangkörper von philharmonischer Präzision. Es lohnt sich, Jonke ins Labyrinth der Worte zu folgen. - Heinz Sichrovsky, Kronenzeitung

Emmy Werner lockt alle verborgene Komik aus Jonkes Kunst-Irrgarten hervor, ohne seinem Kunst-Ernst Abbruch zu tun. - Sigrid Löffler, Süddeutsche Zeitung

Das Ensemble gibt Jonkes Satzkatarakte kommagenau wieder, von Hausherrin und Regisseurin Emmy Werner gleichmäßig im Bühnenbild verteilt. - Theater heute
 
Zum dritten Mal Gert Jonke am Volkstheater:Nach „Sanftwut oder Der Ohrenmaschinist“ (1992) und „Opus 111“ (Uraufführung 1993) wird nun „Gegenwart der Erinnerung“ uraufgeführt – eine große skurrile Parabel über die Existenz des Künstlers in der österreichischen Gesellschaft.
Das Stück handelt von einer merkwürdigen Begebenheit: Der Fotograf Diabelli und seine Schwester Johanna geben wie jedes Jahr ein Fest für Künstler und Honoratioren der Stadt. Das Fest dieses Jahres soll sich von dem des vorangegangenen Jahres nicht unterscheiden, ja die Geschwister gehen sogar so weit, eine vollkommene Übersetzung der Erinnerung in die Gegenwart anzustreben. Dem Experiment kommt die Vergeßlichkeit der Gäste entgegen. Alles ist seltsam wie immer. Einzig der Komponist Burgmüller ist irritiert, zweifelt die Wiederholbarkeit an. Aber nur ein besorgniserregender Vorfall stört den Frieden der Wiederholung …
Jonkes Interesse gilt der extremen Nutzung der logischen Möglichkeiten von Sprache. In seiner Kunstsprache reden sich die Figuren um Kopf und Kragen. Sie plaudern eine Wirklichkeit aus, die keiner kennt, von der aber jeder weiß, daß sie da ist. Das von Jonke skurril und experimentell untersuchte Verhältnis von Gegenwart, Erinnerung und Vergessen kann im Österreich des Jahres 1995 auch als Reflexionsansatz über unser spezifisches Verhältnis zur Vergangenheit und ihren Spiegelungen und Wiederholungen in der Gegenwart herangezogen werden.
„Jonkes Bücher sind Zauberkomödien, Nachfahren also einer großen österreichischen Tradition. So viele Wunder geschehen, daß keines mehr verwunderlich ist; ohne Staunen akzeptiert man, daß Musiker die herrlichste Musik machen ohne Musikinstrumente, allein durch Konzentration. Das Theater braucht für solche Wunder Maschinen, der Schriftsteller eine Schreibmaschine.“ (Benjamin Henrichs).