Im dunklen Zuschauerraum sitzend
Auf das noch dunkle bühnenviereck starrend
In gespannter erwartung harrend
Auf das, was sich da oben gleich abspielen soll –
In der hoffnung, es möge sich nicht nur abspielen
Sondern wirklich zu leben beginnen –
Versuche ich mich zu erinnern,
wie ich, als noch nicht dem theater verfallener.
Diesen augenblick erlebt habe.
Ein untauglicher versuch,
denn diese vorfreude,
die ja angeblich die schönste sein soll,
war ja der hauptgrund ,
dem theater und seiner magie
sich ganz zu verschreiben .
Sicher war es bereits dieses erste hinschauen
dieses schmerzhafte hinfiebern
Auf das noch dunkle bühnenviereck,
Das alles weitere
Und vor allem den wunsch
Immer wieder und immer weiter
Hinaufzuschauen
Hinaufzuharren
Voller neugier hinaufzustarren
Ausgelöst hat.
Der blick hinauf ins dunkle
War von anfang an ein sehnsüchtiger -
Als ob von dort oben
tatsächlich gültige antwort kommen könne -
gekommen sind ein paar
am bühnenboden verstreute splitter
hässlich schöne momentverliebte glasteilchen
aufglitzernd im scheinwerferlicht
ungeduldig wartend auf den mosaikkünstler
der sich ihrer erbarmt
und sie endlich zum ganzen zusammenfügt.
Immerhin.


TIROLER TAGESZEITUNG 24.Oktober 2003




Theaterleitung Schauspiel

Klaus Rohrmoser
KULTURLAND Vollmond im Tiroler Landestheater Innsbruck: Trakls Aufschrei
"Es ist ein Stoppelfeld, in das ein schwarzer Regen fällt. Es ist ein brauner Baum, der einsam dasteht. Es ist ein Zischelwind, der leere Hütten umkreist. - Wie traurig dieser Abend". De profundis, ein poetischer tödlicher Seelenhauch des Dichters Georg Trakl (starb 1914, 27 Jahre alt), beginnt so.
Es ist ein Glücksfall, wenn die vollendeten Gedichte Georg Trakls in zeitgemässer Interpretation, mit Musik, die das Wort unterstreicht, geboten werden. Ohne Pathos, ohne Expressionismus, nur das Wort, die Stille, die Trauer, der Tod - alle leise verklingend - was bleibend vom Menschen ist, ist die Seele, und diese leidet, wenn der Mensch nachdenkt.
Der erwähnte Glücksfall ist mit dem Lesenden, Schauspiel-Direktor Klaus Rohrmoser, und dem "Begleiter", St efan Costa, am Sonntag Abend bei der "Vollmond-Veranstaltung" im Foyer der Kammerspiele eingetroffen. Trakls Poesie, auch das Verträumte, zuweilen flüchtig Erschaute: "Oft am Brunnen, wenn es dämmert, Sieht man sie verzaubert stehen Wasser schöpfen, wenn es dämmert. Einer auf und nieder gehen . . . ", schrieb Trakl in dem Ludwig von Ficker zugeeigneten Gedicht "Die junge Magd". Rohrmoser zeigte sprachliche Klasse, schauspielerische Eleganz, bog ein bisschen nachdenklich über die Bühne, rasch zjm Pult, den Poeten nachempfindend, den Einfall, den Gestus des Schreibenden. Sprach rasch, wie dramaturgisch. Das Gedicht über die junge Mad hat "sechs Akte", müsste man sagen, Bilder voller Menschlichkeit: "Balde rings die Sterne bleichen Und ermattet von Beschwerde Wächsern ihre Wangen bleichen".
Klaus Rohrmsoer bot fast eine Dreiviertelstunde perfekte Trakl-Interpretation, mit Stefan Costas Assoziations-Piano-Töne-Perlen: Eigenem, Improvisationen, Schönberg und Miles Davis, unter anderem. Ein wunderbarer Abend. - WINFRIED WERNER LINDE