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Tiroler Landestheater Innsbruck: 2012 Liebe und Magie in Mammas Küche
Regie: Klaus Rohrmoser --- Fotos: Larl

Tiroler Tageszeitung vom 17.01.2012 Der Engel mit dem Flammenschwert
Schwarzer, anarchischer Humor regiert in den Kammerspielen in Lina Wertmüllers "Liebe und Magie in Mammas Küche".
Von Alexandra Plank

Ein Raum, der mit seiner Tiefe und Sterilität ein Gefühl der Verlassenheit erzeugt, ein paar Stühle, Neonleuchten an den Wänden: Zu Beginn des Stücks "Liebe und Magie in Mammas Küche" taucht der Zuseher in die Welt einer Irrenanstalt ein. Da ist eine Frau, die sich ständig brutal die Haare kämmt, eine andere, die bedächtig eine Bandage aufwickelt, eine dritte, die versucht, sich mit Kabeln zu erhängen.
Doch der Irrsinn regiert nicht nur in dieser abgeschotteten Welt. Einspielungen einer Rede von Mussolini zeigen auf, dass der Wahnsinn zur Zeit des Faschismus Methode hatte.
Im Zentrum des Geschehens ruht die Süditalienerin Leonarda Cianciulli (Judith Keller), die die Frauen um sich sammelt wie die Glucke ihre Küken. Die italienische Regisseurin Lina Wertmüller, die für den Oscar nominiert war, erzählt in ihrem Theaterstück die Geschichte einer Übermutter. Einer, die ihrem einzigen Sohn erklärt, dass er sich unter der Woche um seine Freundin kümmern könne, dass der Sonntag aber der Mamma gehöre. Cianciulli tut für ihren einzigen Sohn alles. Dabei schreckt sie auch nicht vor Hexerei und Mord zurück. Die Frau hat ein schweres Schicksal ereilt: Zwölf ihrer Kinder starben durch den Fluch von Leonardas Mutter als Säuglinge. Ihr dreizehntes Kind, ein Sohn, überlebt. Ihn will sie vor dem faschistischen Regime und dem Krieg beschützen.
Der Wahnsinn flüstert ihr ein, sie müsse dafür ihre drei besten Freundinnen töten. Nach einem ganz bestimmten Ritual verarbeitet sie die Frauen zu Seife. Ihren Freundinnen verspricht sie das Blaue vom Himmel und wird von ihnen als "Engel" bezeichnet. Cianciulli korrigiert: Sie sei ein Engel mit Flammenschwert.
Judith Keller gelingt es, ganz intensive Momente entstehen zu lassen. Sie changiert zwischen dem liebevollen Muttertier und der wahnsinnigen Mörderin. Das Stück beruht auf einer wahren Geschichte, der Fall ging in die Annalen der Kriminalistik ein. Insbesondere nach dem Tod der Seifensiederin, die ihre Tat nie geleugnet hat und im Irrenhaus landete, entwickelte sich ein regelrechter Leonarda-Kult. Das Thema wurde verfilmt und in Songs aufgearbeitet.
Der Stoff scheint zunächst sperrig, Rohrmosers Inszenierung erschließt sich erst allmählich, erweist sich dann aber als zwingend logisch. Zwei Stunden ohne Pause dauert das Stück, das um Liebe, höhere Mächte und eine unerträgliche Realität kreist. Die für gewöhnlich nach eineinhalb Stunden (Spielfilmlänge) einsetzende Unruhe im Publikum bleibt aus. Aus dem starken neunköpfigen Frauenensemble stechen Janine Wegener, Eleonore Bürcher und Petra-Alexandra Pippan als beste Freundinnen heraus. Die Bühne von Alois Gallé besticht durch ihre Schlichtheit bei gleichzeitiger Aussagekraft, ebenso die Kostüme von Christine Brandi – langanhaltender Applaus.