A-Wien

Theater und Kabarett

Klaus Rohrmoser lebt als freier Schauspieler und Regisseur in Wien

1953 geboren in Innsbruck. 1973 Diplom der Schauspielschule Innsbruck. Engagements in Innsbruck, Bochum und Tübingen.

1978-80 Regie-Unterricht Lee Strasberg-Schule, New York.

In den 80er Jahren hauptsächlich Film- und Fernsehrollen.
1985 Schauspielerpreis Filmtage Mannheim
1990 Max Ophüls Preis als bester Schauspieler

In den letzten Jahren Hinwendung zur Regiearbeit. Inszeniert Horvath (DieBergbahn), Schönherr (Der Weibsteufel, Es), Schneider (Dreck), Miller (Blick von der Brücke) Bogosian (Talk Radio), Nestroy (Das Mädel aus der Vorstadt).

Aktuell: Fritz Hochwälders" Der Himbeerpflücker", Theater an der Josefstadt

ab 26. April: Premiere "Der Biberpelz" von Gerhard Hauptmann (Volkstheater in den Außenbezirken)

Theater muß das Medium Theater wiederentdecken

Ein Interview mit dem Schauspieler und Regisseur Klaus Rohrmoser

Von Sigrun Höllrigl

Was sind deine Kriterien für gutes Theater

Wenn ich im Theater sitze und mich etwas betrifft oder entzündet, weil ich mit einem sehr professionellen Auge schaue. Ich mag sehr gern karge Sachen, die eine große Phantasie entzünden, die sehr auf Schauspieler konzentriert sind, auch ästhetische Lösungen, die einen neuen Blickwinkel eröffnen, ohne daß sie sich modisch gebärden müssen. Besser, wenn sie es nicht tun.

Es wird ja heute die Frage gestellt, ob Theater noch zeitgemäß ist. Theater hat Legitimationsschwierigkeiten und muß sich gegenüber dem Film abgrenzen

Meistens tut Theater das nicht, sondern versucht, den Film nachzumachen und ist meistens im Hintertreffen - ich rede jetzt nicht von Musical und Ausstattungssachen. Ich denke, die Chance für gutes Theater ist, daß es sein Medium oder das Spezielle am Medium Theater wiederentdeckt. Da liegt die Chance. Peter Brook - wenn er sagt, das Bühnenbild, ein Teppich, zwei Stühle. Was ist mit der Phantasie los? Ich glaube, daß Theater könnte -Schulungsort klingt jetzt wirklich schrecklich - es könnte ein Ort sein, der die Phantasie anregt.

Wir haben heute nicht mehr die Vision durch Ästhetik und ideelle Werte die Welt prägen zu können.

Das Beste, was Theater leisten kann, ist das es wirklich eine Art von Brennspiegel, eine Lupe vor die Realität hält oder vor eine Interpretation der Realität hält, die uns schärfer sehen macht und unsere Phantasie anregt. Vielleicht ist das auch sehr moralisch, in einer Zeit, wo du unglaublichen Reizüberflutungen, einer wahnsinnig aggressiven, Phantasie einengenden ausgesetzt bist: du mußt das sehen, was dir gezeigt wird. Und es wird dir so deutlich gezeigt, daß du nicht mehr frei bist im Kopf, etwas anderes zu sehen, als da ist. Und ich denke, da liegt eine gewisse Art von Moral in Anführungszeichen darin verborgen, daß du Freiräume schaffst mit dem Theater in den Köpfen der Leute

Das hört man ja auch immer wieder aus Biographien von großen Künstlern, daß ein Theatererlebnis in der Jugend das weitere Leben beeinflußt hat

Ja, das gibt's. Ich kann mich auch erinnern an Vorstellungen. Wenn ich sie heute sehen würde, würden sie mir vielleicht gar nicht mehr so gefallen. Aber irgendwo hat es was ausgelöst. Das Theater ist ein meditativer Ort. Die Leute sitzen im Dunkeln und schauen Leute zu, die im Hellen was machen. Es hat, wenn man es wirklich auf die Basis zurückbringt, einen archaischen Charakter, ich will nicht sagen religiös. Man schaut sich was an, gemeinsam in einer Gruppe und erwartet auch etwas zu bekommen, was jetzt nicht ein Motto oder Moral sein muß. Es findet auch dieser Austausch zwischen Schauspieler und Publikum statt. Was ganz wichtig ist heutzutage: Theater ist live.

Mich interessiert, warum ist eine Zeit für künstlerische Arbeit, Zusammenarbeit von Künstlern sehr produktiv und warum gibts andere, wie die jetzige, wo jeder seinen Zopf macht.

Ich denke, das der gesamte Zeitgeist oder Zeitströme daraufausgerichtet sind, die Leute zu vereinzeln. Viele Theaterintendanten, Theaterleiter glauben nicht mehr an den Ensemble-Gedanken und sagen: Ensemble gibts nicht, es gibt einen Jet-Set-Schauspieler und ich kaufe mir den für die richtige Rolle, und der spielt jetzt in meinem Theater, aber er ist nicht im Ensemble. Sowas wie Ensemble gibt es nicht mehr. Die spannendsten literarischen Strömungen sind aus Gruppierungen, wie die Wiener Gruppe oder die Dadaisten etc. entstanden. Aber heute geht es in erste Linie darum, vielleicht in einer Gruppe, vielleicht in einem Workshop, seine handwerklichen Fähigkeiten zu verfeinern und dann allein auf die freie Wildbahn zu gehen und den größten Löwen abzuschießen.

Damals Wiener Gruppe, Art-Club, da haben Musiker mit Literaten kommuniziert. Sie haben gemeinsam musiziert, gesoffen, Ideen entwickelt, philosophiert. Das war wie ein Schmelztiegel.

Das war eine ganz andere Art von Bohemienleben, das ist heute in dem Sinne nicht mehr gibt, in der Künstlerszene. Ja, man sieht sich auf der und der Premierenfeier, bei der Vernissage, aber daß man wirklich mit einer gemeinsamen Kraft etwas bewegen will, das ist es nicht.

Bedauerst du das?

Ja, irgendwie schon. Ja, ich hab's eigentlich auch in dem Sinn kaum erlebt. Ich hab es erlebt in Produktionsbedingungen, wo ich mit einer sogenannten eingeschworenen Gruppe oder mit einer Gruppe von Schauspielern gearbeitet hab, die sich für die Zeit dieses Films, dieses Theaterstücks, zusammengefunden haben und in dieser Zeit ist sowas entstanden. Aber dann gingen sie auch wieder auseinander.

Das Herumziehen gehört ja auch irgendwie zum Beruf dazu

Natürlich, aber es ist eine Frage der Waage. Ob das Herumziehen nur um des Herumziehen willens existiert, oder ob sich Entwicklungen zu Tode laufen oder organisch zu einem Punkt kommen, wo man sagt, man will sich jetzt verändern,trennen. Ob dahinter eine künstlerische Entwicklung steckt oder der Wunsch nach Popularität und Geld und Originalität in der Szene.

Jetzt sind wir bei dem Punkt Geld. Es sind kaum noch Strukturen vorhanden, wo man mit wenig Geld etwas auf die Beine stellen kann.

Ja, sehr sehr schwer nur. Ich glaube, daß es möglich ist. Und glaube auch, daß die Form einer Wiener Gruppe heute anders ausschauen würde als damals. Das muß nicht das Cafe Sport sein. Die Formen der Kommunikation unter den Leuten würden heute anders ausschauen. Aber das wäre noch zu erfinden. Ich nehm' mich da selber bei der Nase. Natürlich, die Abgrenzung untereinander ist auch schon stärker geworden durch den Konkurrenzdruck. Es sind halt all die Dinge, die in einem anderen Beruf genauso passieren. Das meine ich mit Zeitströmung. Gerade am Theater, ich meine " Die Schaubühne" in Berlin, oder die ganze Gruppe um Peter Stein, die Leute, die immer noch mit Zadek arbeiten, auch nach 30, 35 Jahren, das sind Ensembles auf der Wanderschaft. Aber es ist ein innerer Zusammenhang erkennbar und es sind auch immer noch die Leute, die immer noch die homogensten Ergebnisse liefern.

Das sind ja extrem teure Produktionen

Ja, inzwischen ja.

Ich würde mir wünschen, daß das Theater lernt, auch wieder mit weniger Geld auszukommen. Es hat über das Regietheater eine Entwicklung eingesetzt, daß mit großem technischem Aufwand die Produktionskosten in die Höhe geschnellt sind

Ja. Es ist auch rufschädigend. Für das Theater nach außen, wenn es soviel Geld braucht, weil es ist ja immer subventioniert. Es geht auf Kosten von anderen Künstlern und überhaupt von der Kunst - und der allgemeinen Meinung, was Kunst kosten darf, ist es sowieso zu teuer. Eigentlich schneidet man sich da ins eigene Fleisch. Das sind einfach Entwicklungen, die stattgefunden haben und die wahrscheinlich sehr schwer zurückzunehmen sein werden. Das Pendel muß zurückschwingen.