Tiroler Landestheater Innsbruck
Premiere 3. Juni 2006
Dreigroschenoper
Stück mit Musik und einem Vorspiel von
Bertolt Brecht/Kurt Weill nach John Gay,
Regie Klaus Rohrmoser:
Musikalische Leitung: Michael Mader
Ausstattung: Alois Gallé
Mackie Messer: Udo Wachtlveitl
Peachum: Dale Albright
Ehefrau Peachum: Judith Keller uam.

Wachtlveitl Albrigth Rohmoser
im Interview

ab 6. Oktober 2006: Wiederaufnahme am Tiroler Landestheater:
Die "Dreigroschenoper" ist ein Hit. Die Musik kennt jeder.
Die Figuren sind in jedermanns Sprachgebrauch. Kein Wunder, dass
der bekannte bayrische TV-Kommissar nicht lange fackelte, als
Regisseur Klaus Rohrmoser ihn fragte, ob er den Mackie Messer
spielen wolle. Wachtveitl: "Ich kann als Mackie Messer in diesem
Stück vieles ausleben."Gelebt wird im kriminellen Milieu.
Mackie Messer ist ein Gauner, der dem Bettlerkönig Peachum
die Tochter Polly abspenstig macht und sie heiratet.
Doch in der Unterwelt gehts rau zu, und Mackie lässt zwar
Puppen und Hurentanzen wie er will, doch einmal ist auch für ihn
Schluss. Geht's ihm am Ende an den Kragen? Man wird sehen.
Bert Brecht schrieb über diese Figur: "Er ist einer der nicht
seltenen, dennoch unverständlichen
Fülle bürgerlicher Dämonie."
Klaus Rohrmoser ist auf jeden Fall überzeugt: "Für mich ist
,Die Dreigroschenoper' ein grosser Wurf - eben, weil Stück und Musik wie aus einem Guss sind."

tirol.com/szene/landestheater: Bettler, Gauner, Huren stürmen die Bühne Wäre er neidisch geworden? Sicher. Als 1728 John Gays "Beggar's Opera" uraufgeführt wurde, konnte der Engländer nicht ahnen, dass genau 200 Jahre später die Deutschen Bert Brecht und Kurt Weill mit ihrer Version von "Des Bettlers Oper" einen Welterfolg ohne Ende landen sollten.
Bereits Gays Oper war ein Hit. Das Werk wurde von Jonathan Swift angeregt, um Georg Friedrich Händels Opern zu travestieren, zu verhöhnen. Der Erfolg? Händels Theater wurde ruiniert. Tja, der Neid.
Sicher wäre Gay neidisch geworden, denn "Die Dreigroschenoper" hat seinen Schöpfern weltweiten Ruhm beschert. Und das mit einer Geschichte über Bettler, Gauner und Huren, die in London ihr Unwesen treiben. Ein Unwesen, charmant, witzig, frech, ungeschminkt in Szene gesetzt. Jeder will leben, schert sich was um die Moral, um überleben zu können.
So richtig brisant wird dieses Stück mit Songs von Kurt Weill, als der Bettlerkönig Peachum seine Tochter an den unumstrittenen Unterweltkönig und Frauenliebling Macheath, Mackie Messer, verliert. Peachum verliert eine wichtige Stütze in seinem Bettlerimperium an den einzigen Konkurrenten in London. So geht das nicht - und dann vielleicht noch aus Liebe? Peachum versucht mit Hilfe des korrupten aber liebenswürdigen Polizeichefs Brown und den gierigen Huren Mackie an den Galgen zu bringen. Aber wie's so ist, läuft natürlich alles anders.

Nach einer Probe trafen wir Mackie (Udo Wachtveitl), Peachum (Dale Albright), Michael Mader (musikalischer Leiter) und Regisseur Klaus Rohrmoser.

Brecht hat sich ein paar Jahre nach der Uraufführung in einem Selbstinterview ein paar Fragen gestellt. Z.B. "Was macht Ihrer Meinung nach den Erfolg der Dreigroschenoper aus?"
Rohrmoser:Brecht hat ein gutes Theaterstück geschrieben. Aber was es zu dieser Erfolgsgeschichte machte, ist Weills Musik. Brechts Texte dazu sind klug und gescheit, und das Stück übermittelt geschickt eine klare Botschaft. Für mich ist "Die Dreigroschenoper" ein großer Wurf - eben weil Stück und Musik wie aus einem Guss sind.

Welche Richtung schlagen Sie bei Ihrer Inszenierung ein?
Rohrmoser:Man muss das zeitgemäß machen. Das Stück darf nicht verstaubt wirken. Ich möchte es sehr spielerisch umsetzen, Klischees vermeiden, es auf das Wesentliche reduzieren. In diese Inszenierung spielt sicher auch eine Art absurder Beckettstil hinein. Mein Ziel ist also, das Ganze handwerklich gekonnt, mit einem leichten Augenzwinkern zu erzählen.

Wie hat Sie Klaus Rohrmoser ans TLT gelockt?
Wachtveitl: Weil das einfach eine wunderbare Männerrolle ist, wie es sie selten gibt. Ich kann als Mackie Messer in diesem Stück vieles ausleben. Wann kann man schon romantisch Liebesarien schmettern, ohne dass man einen ganzen schnulzigen Liebesfilm spielen muss? Wann kann man mit dem raubeinigen Charme eines Straßenköters flirten? Man darf alles ein bisschen machen und muss sich aufgrund der Stückkons?truktion nie wirklich in die Reinform dessen begeben. Genau darin liegt für mich der große Reiz dieser Rolle.

Als Mackie singen Sie. Willkommene Abwechslung oder Mühe?
Wachtveitl: Auch das ist eigentlich ein Flirt. Ich singe gern, aber gelernt habe ich es nicht. Und das darf und soll man in diesem Stück ruhig hören. Es ist ja eine Dreigroschenoper. Das heißt, eine Billigversion von armen Leuten.

Wie sehr beeinflussen Brechts Vorstellungen vom Theater Ihre Arbeit?
Wachtveitl: Brecht war trotz seiner theoretischen Schriften ein lustvoller Autor. Und wenn er jetzt sehen würde, welche Ideen wir zu seinem Werk haben, hätte er bestimmt gesagt: Das ist doch gut, so machen wir das.

Was hätte Brecht zu einem ausgebildeten Sänger in der Rolle des Peachum gesagt?
Albright: Schwer zu sagen. Ich dachte, mein Gott, wird das nicht auffallen, dass da ein ausgebildeter Sänger inmitten von Schauspielern singt. Ich glaube, ich wurde ausgesucht, weil in meinem Fach, dem Buffo-Fach, das Schauspiel sehr wichtig ist.

Sie sind sehr vielseitig.
Albright: Das war immer mein Streben. Ich wollte nie nur Opernsänger sein. Theater ist für mich mehr. Man kann sehr viel lernen, wenn man sich öffnet. Es ist für mich etwas ganz Neues, ein ganz anderer Stil.

Was ist denn anders?
Albright: Die Arbeitsweise ist anders. Schauspieler kommen mehr vom Text, vom Inhalt her. Auch stimmlich ist dieser Sprechgesang schwer, denn er erfordert einen anderen Umgang mit der Stimme.

Heißt das, leicht daneben singen ist richtig?
Mader: Nein. Ich glaube, für einen Sänger funktioniert es so: Je mehr er die Musik intus hat, desto mehr kann er sich wieder reduzieren. Für den Schauspieler gilt der umgekehrte Weg. Er nähert sich über den Text an die Nummern, die Songs an. Und so fügt es sich von beiden Seiten zu einem Ganzen.

Wie war für Sie die Arbeit mit einem Sänger und sonst nur Schauspielern?
Mader: Sehr interessant, weil man andere Wege der Herangehensweise erfährt. Mit einem Sänger ist man schneller auf dem Punkt. Mit Schauspielern muss man‘s langsamer angehen.

Wie fügt sich nun das Konzept für Bühne und Kostüme in das Stück?
Rohrmoser:Ausstatter ist Alois Gallé. Wir haben den Zuschauerraum auf der Bühne weitergeführt mit Zuschauern in Logen. Wir haben eher symbolische Lösungen gesucht. Das Gefängnis etwa ist eine große Kugel, an der Mackie Messer hängt. Wir arbeiten mit kraftvollen Zeichen, die den unpsychologischen Charakter dieses musikalischen Schauspiels betonen. Auch die Beleuchtung wird dabei starke Akzente setzen. Die Kostüme sind zeitlos gehalten.

Sind die Gauner sofort als Gauner erkennbar?
Rohrmoser:Ja. Wir arbeiten mit einer nachvollziehbaren Zeichensprache. Wir haben als Bühnenpersonal Bettler, Huren und Gauner. Natürlich versuchen wir diese originell zu inszenieren, aber wir wollen das nicht übertreiben.

„Lustvoll“ fiel in diesem Gespräch als Stichwort. Ist es nicht auch lustvoll ins Publikum hineinzuspielen?
Rohrmoser:Es ist ein Stück, das den Kontakt zum Publikum absolut sucht. Da werden Reden ans Publikum gehalten und dieses einbezogen. Das funktioniert nicht auf platte Weise, sondern erfolgt über den spielerischen Umgang mit den Möglichkeiten des Theaters, der Bühne. Und nach dem berühmten Haifisch-Song folgt ein Gassenhauer nach dem anderen.